Die Frau im blauen Auto

Die Frau im blauen Auto

Es ist der 9. November 1989, die Sonne scheint auf den kühlen Asphalt. Vor der Berliner Mauer stehen unzählige Menschen, die darauf warten, dass die Grenze endlich geöffnet wird.
Etwas Abseits steht eine ungefähr achtunddreißigjährige Frau mit strahlend blauen Augen und langem, blondem Haar, das im Sonnenlicht glitzert. Ihre Kleidung besteht aus einem geblümten Kleid, über das sie einen schwarzen, gefilzten Mantel trägt. Die Dame trägt weiße, gemusterte Strümpfe und braune Stöckelschuhe. Sie hält eine lederne Tasche in der einen Hand und in der anderen einen großen Koffer.

„Heute ist der Tag, an dem ich endlich nach Hamburg reisen kann, um meinen Freund wieder zu sehen, wenn er noch lebt. Was ist, wenn er tot ist? Nein, er ist nicht tot, da bin ich mir sicher.
Wird er sich noch an mich erinnern? An unsere Zeit, als wir jeden Sommer auf den Wiesen gespielt haben und an unseren ersten Kuss, als wir am kleinen Bach neben dem Haus seiner Eltern standen. Wir hörten das Wasser plätschern und er sagte mir, dass er in mich verliebt ist. Danach küssten wir uns. Seine Lippen fühlten sich sanft und warm an.“

Sie überquert die Straße und geht zu einem Autoverleih. Die Dame öffnet die Tür des Geschäftes und man hört das Bimmeln einer Glocke, die am Türrahmen befestigt ist. Durch die Scheiben des Kaufhauses sieht man, wie sie eine Landkarte aus einem Regal nimmt und damit zur Kasse geht. Bei dieser steht ein älterer Mann mit weißen Haaren und einem Bierbauch. Die Dame gibt ihm Geld, daraufhin holt der Verkäufer einen Schlüssel aus dem hölzernen Schrank hinter ihm. Er übergibt ihn ihr und sie spaziert mit einem freundlichen Lächeln aus dem Laden zu einem hellblauen Automobil. Sie legt ihren Koffer in den Kofferraum und öffnet die Vordertür des Wagens. Die Dame setzt sich hinein und legt ihre Tasche auf den Beifahrersitz. Das Auto wird gestartet, fährt los und reiht sich in der Autoschlange ein, die darauf wartet, dass das Brandenburger Tor endlich geöffnet wird.

Kaum geht der Schranken hoch, fahren die ersten Autos durch. Die Frau im blauen Gefährt wartet ungeduldig, bis sie an der Reihe ist. Nach einiger Zeit wird auch sie endlich abgefertigt. Die Dame dreht den Zündschlüssel um, tritt aufs Gaspedal und fährt durch das geöffnete Tor. Nach und nach verschwindet ihr Auto in der Ferne bis es endgültig nicht mehr zu sehen ist.